Alpenmurmeltier
Alpenmurmeltier (Marmota marmota)
Andere bekannte Namen: Mankei, Murmanndl, Murmel, Murmeli, Murbel
Die Murmeltiere gehören zu den Hörnchenartigen innerhalb der Familie der Nagetiere. Sie leben nur auf der Nordhalbkugel, im Süden fehlen sie ganz. Weltweit werden insgesamt 14 Murmeltierarten unterschieden. Das Alpenmurmeltier ist eine rein europäische Art. Sechs weitere Arten leben in Nordamerika. Eine davon, das Steppenmurmeltier, kommt auch in Europa vor.
Vom Alpenmurmeltier gibt es zwei Unterarten, davon lebt eine in den Alpen und die andere in den Karpaten, in der Tatra und anderen hohen osteuropäischen Gebirgen. Alle Arten außer dem in Nordamerika beheimateten Waldmurmeltier bewohnen vor allem baumlose Graslandschaften. Kommen in der gleichen Region verschiedene Murmeltierarten vor, dann besiedeln sie verschiedene Lebensräume oder Höhenstufen.
In der Volksmedizin galt Murmeltierfett als wirksam bei Gelenkschmerzen, wobei das ausgelassene Fett auf die Haut aufgetragen wurde. Bei Erkältungen wurde es in geringen Mengen getrunken. Die wohl entscheidenden Wirkstoffe sind Substanzen, die dem Cortison ähneln. Zur Linderung von Rheuma wurden die Felle auf die betroffenen Hautstellen aufgelegt. Murmeltierfleisch wird heute nur noch selten verwertet und z.B. als Ragout zubereitet. Die kräftigen, orangefarbigen Schneidezähne werden zu Schmuck verarbeitet.
Das Alpenmurmeltier lebt wie Schneehase, Schneemaus und Schneehuhn im gesamten Alpenbogen zwischen den französischen Seealpen im Westen bis zu den letzten Ausläufern der österreichischen Alpen im Osten. Größere zusammenhängende Populationen finden sich vor allem im westlichen Teil des Verbreitungsgebiets. Die heutigen Vorkommen im Gebiet der Ostalpen, im Jura und in den Pyrenäen gehen auf menschliche Ansiedlung zurück. Im Ostalpenraum waren die Murmeltiere ursprünglich nach Ende der letzten Eiszeit durch das Ansteigen der Baumgrenze, Wiederbewaldung infolge von Klimaveränderungen und durch menschliche Verfolgung bereits um 1800 ausgestorben.
Das Murmeltier bevorzugt die Höhenstufe zwischen 1.500 und 1.800 m, kommt aber, je nach den Gegebenheiten, auch zwischen 800 und 3200 m Höhe vor. Murmeltiere bevorzugen vor allem Südhänge mit möglichst wasserundurchlässigem, grabfähigem Boden oberhalb der Waldgrenze auf Hochalmen und weiten Bergtälern. Mit Steinen und Felsblöcken locker durchsetzte Bereiche werden dabei ebenso genutzt wie ganz offene Almen. Dagegen werden unübersichtliches Gelände, in dem zu viele und zu hohe Felsen vorkommen und Flächen mit wasserdurchlässigen Böden gemieden.
Beweidung der Almen
Bei einer starken und bis weit in den Herbst hineinreichenden Beweidung der Hochalmen kann es vor allem in sehr trockenen Jahren für die Murmeltiere zu vorwinterlichen Nahrungsengpässen kommen. Andererseits verhindert eine mäßige Beweidung mit Vieh das Entstehen einer verfilzten Pflanzendecke mit vielen abgestorbenen Pflanzen.
Im Laufe der Jahrhunderte sind aufgrund der Sommer- und Waldweide des Viehs für die Murmeltier geeignete, zusätzliche Freiflächen entstanden. Die Waldgrenze wurde unnatürlich weit nach unten verschoben. Geht die Beweidung der Almen wieder zurück, veröden die Flächen und entwickeln sich im Laufe der Zeit wieder zu Wald. Die Zunahme der Waldfläche engt den typischen Murmeltierlebensraum dann auf natürliche Weise wieder ein.
Wanderinnen und Wanderer
Murmeltierkolonien, die an stark begangene Wanderwege angrenzen, haben zwar geringere Fluchtdistanzen zum Menschen im Vergleich zu Kolonien, die abseits von Wegen liegen, jedoch müssen sie deutlich mehr Zeit aufwenden, um ihre Umgebung zu überprüfen. Andererseits passen sich Murmeltiere mit ihrem Nahrungsaufnahmerhythmus an die Zeiten geringen Wanderbetriebs an. Durch das Ausweichen mit der Hauptaktivitätsphase in die Randstunden (z.B. früh am Morgen, später am Abend) können die Tiere die Einschränkung der Nahrungsaufnahme bei starkem Wanderbetrieb zumindest teilweise ausgleichen. Sind jedoch auch zu diesem Zeiten noch viele Wanderer unterwegs, ist kaum noch ein Ausgleich möglich. Dann sterben spätestens im Frühjahr viele Tiere aufgrund mangelnder Energiereserven.
Folgen der Störungen
Wird eine Kolonie durch Störungen gezwungen, oft in den Bau zu flüchten, verbleibt vor allem für die Jungtiere nicht genügend Zeit, die für ein normales Wachstum notwendige Futtermenge zu fressen oder ausreichend Fettreserven für den Winter anzulegen. Spaziergänger mit streunenden Hunden bewirken ebenfalls Störungen, die die Murmeltiere oft lange Zeit in den Bau zwingen und damit ihren natürlichen Fressrhythmus unterbrechen. In stark gestörten Kolonien nimmt die Nachtaktivität der Murmeltiere deutlich zu.
Das Murmeltier unterliegt dem Jagdrecht und genießt aufgrund der geringen Vorkommen in den bayerischen Alpen ganzjährig Schonzeit. In anderen Alpenländern darf das Murmeltier mit einer begrenzten Jagdzeit bejagt werden. In der Schweiz und in Österreich werden pro Jahr mehr als 10.000 Murmeltiere auf der Jagd geschossen.
Systematik
Klasse: Mammalia (Säugetiere)
Ordnung: Rodentia (Nagetiere)
Familie: Sciuridae (Hörnchen)
Unterfamilie: Marmotinae (Murmeltiere)
Aussehen
Murmeltiere wiegen zwischen 3 und 6 kg; das Gewicht schwankt je nach Jahreszeit. Sie werden etwa hasengroß, d.h. ihre Körperlänge kann von der Nasen- bis zur Schwanzspitze zwischen 57 und 78 cm betragen. Damit sind Murmeltiere die größten Nagetiere der Alpen. Zwischen den Geschlechtern gibt es in Hinblick auf Größe, Gewicht oder Aussehen keine deutlichen Unterscheidungsmerkmale. Ihr Körper ist kräftig und kompakt gebaut, die Beine sind relativ kurz und muskulös. Mit diesem Körperbau sind die Murmel gut an ihr Leben in Erdbauen angepasst. Ein stabiles Knochengerüst sowie Zehen mit kräftigen, stumpfen Grabklauen bilden beste Voraussetzungen zum Graben. Die Tiere sind dabei sehr beweglich.
Vor allem ihr Hals ist ausgesprochen elastisch, was ihnen dabei hilft, rundum zu sehen. Die Augen sitzen sehr hoch auf den Kopfseiten des breiten, oberseits abgeflachten Kopfes. Daher können sie auch dann noch sehr viel sehen, wenn sie schon halb im Bau stecken und nur noch der Kopf herausschaut. Ihr Sichtfeld reicht bis nach oben in die Luft.
Die Ohren sind sehr klein und innen dicht beharrt. Damit wird das Eindringen von Erde beim Laufen in den unterirdischen Gängen verhindert. Als Anpassung an den insgesamt kalten, alpinen Lebensraum ist das Fell sehr dicht. Die Färbung variiert auf den einzelnen Körperpartien zwischen rotbraun und schwarzgrau. Die Unterseite ist mehr gelblich, die Kopfoberseite dunkler behaart. Die Schnauze ist breit und meist heller gezeichnet, der Schwanz ist dicht und grob schwarz behaart.
Der kahle Rückenstreifen der Murmeltiere, der im Frühjahr beobachtet werden kann, stammt vom wochenlangen Liegen in derselben Stellung während des Winterschlafs.
Um Energie zu sparen, vollzieht sich bei Murmeltieren nur ein einmaliger Haarwechsel, der auch unvollständig bleiben kann. Dieser beginnt etwa einen Monat nach Ende des Winterschlafs und zieht sich oft sehr lange hin. Die trächtigen Weibchen beginnen mit dem Haarwechsel zuletzt, da sie zusätzlich verfügbare Körperenergie für das Austragen und Säugen der Jungen verwenden müssen.
Murmeltiere haben 22 Zähne und ein typisches Nagergebiss. In jeder Kieferhälfte sitzt ein starker Schneidezahn (Nagezahn), Eckzähne fehlen. Die Zahl der Backenzähne beträgt in jeder Oberkieferhälfte 5 und auf jeder Unterkieferseite 4.
Fortpflanzung
Die Geschlechtsreife erreichen Murmeltiere erst im Alter von 2 Jahren. Für die Fortpflanzung und die Entwicklung bleibt im kurzen Gebirgssommer nur wenig Zeit. Bis zum Herbst müssen die Jungtiere gut heranwachsen und Fett ansetzen, um die lange Phase des ersten Winterschlafs gut überstehen zu können.
Daher findet die Paarungszeit unmittelbar nach Ende des Winterschlafs statt, meist Ende April bis Anfang Mai. Die Empfängnisbereitschaft der Weibchen dauert nur 24 Stunden. Innerhalb dieser für Säugetiere kurzen Empfängniszeit werden die Weibchen von verschiedenen Männchen der Kolonie mehrmals begattet, um die Befruchtung sicherzustellen. Meist handelt es sich dabei um das dominante Männchen und seine Söhne. Zur Fortpflanzungszeit unternehmen einzelne Erwachsene und heranwachsende Jungtiere Wanderungen zu benachbarten Kolonien. Dabei können Strecken zwischen 1 und 4 km zurückgelegt werden. Wenn sich die Neulinge in einer Kolonie durchsetzen können, tragen sie mit der Befruchtung der Weibchen zu einem Genaustausch zwischen benachbarten Kolonien bei. Normalerweise sind sie aber von der Paarung ausgeschlossen, genauso wie die Söhne anderer, hierarchisch tiefer stehender Männchen.
Die Tragzeit erstreckt sich über 33 – 34 Tage ab etwa Ende April bis in die erste Juniwoche. Dann kommen zwischen 2 und 9 Junge zur Welt, die nackt, zahnlos, blind und taub sind. Meist überleben nur 2 – 4 Junge die kritischen ersten 40 Tage. Sie sind typische „Nesthocker“, die 6 Wochen lang im Bau gesäugt werden. Dabei steigt ihr Gewicht von etwa 30 g bei Geburt bis auf 500 g zu dem Zeitpunkt, wo sie das erste Mal den Bau verlassen.
Die Jungen entwickeln sich relativ langsam, so dass sie im Herbst erst 1,5 – 2 kg auf die Waage bringen. Das entspricht einer Verfünfzigfachung ihres Geburtsgewichts. Die Erwachsenen wiegen jetzt zwischen 5 und 6 kg. Die Jungtiere einer Kolonie stammen meist nur vom dominanten Weibchen. Jüngere gedeckte Weibchen werden so stark vom dominanten Weibchen bedrängt, dass sie ihre Jungen meist nicht austragen können. Werden die Jungen dennoch geboren, werden sie vom dominanten Weibchen getötet. Falls ein Rivale das dominante Männchen vertreibt, tötet der neue „Chef“ die säugenden Neugeborenen.
In der Regel erscheinen die Jungen zwischen dem 5. Juli und dem 22. Juli erstmalig an der Oberfläche. Damit endet dann auch ihre Säugezeit.
Nahrung
Die Ernährungsweise der Murmeltiere passt sich zwangsläufig der verfügbaren Nahrung an. Während sie im Frühjahr nach dem Winterschlaf auf den frisch abgetauten Berghängen zunächst Wurzeln und Zwiebeln ausgraben, fressen sie mit dem Sprießen des frischen Grüns bevorzugt leicht verdauliche, saftige Kräuter und deren Blüten. In den Sommermonaten nimmt dann der Anteil der Gräser, Früchte und Samen deutlich zu.
Für den Aufbau des Körperfetts im Herbst, dessen Anteil bis zu 20 % des Körpergewichts vor dem Winterschlaf betragen kann, werden große Mengen besonders nahrhaften Futters benötigt. Murmeltiere fressen pro Tag zwischen 1 und 1,5 kg Pflanzen. Dafür müssen sie ihren Magen etwa dreimal füllen. Da sie keine Wiederkäuer sind, benötigen sie eiweißreiches und damit leicht verdauliches Futter, das ihr Verdauungssystem bewältigen kann.
Mit den scharfen Nagezähnen beißen die Tiere die Nahrung knapp über dem Boden ab. Durch das Nagen nutzen sich die ständig nachwachsenden Schneidezähne ab und bleiben scharfkantig. Mit den rauhen Kauflächen der Backenzähne wird die Nahrung fein zerrieben. Der Magen ist relativ klein. Dünn- und Dickdarm sind sehr lang und der Blinddarm ist sehr voluminös. Hier wird das pflanzliche Material mit Hilfe von Bakterien weiter aufgeschlossen. Um die Baue herum entstehen durch das regelmäßige Befressen grüne Rasen. An den Kotplätzen entwickelt sich durch die Düngung eine üppige Vegetation.
Natürliche Feinde
Die offene Landschaft der Gebirgssteppe macht es den Feinden des Alpenmurmeltiers relativ leicht, ihre Beute zu entdecken. Seine bedeutendsten Raubfeinde sind Steinadler, Uhu und Fuchs. Ein Steinadlerpaar mit einem Jungen benötigt etwa 70 Murmeltiere während eines Sommers, um zu überleben. Dabei machen die Murmeltiere über 80 % der Beutetiere aus. Außerdem können Großes Wiesel, Marder, Kolkrabe und Habicht für Jungtiere gefährlich werden. Luchs, Wolf und Bär spielen in den Gebieten, wo sie vorkommen (z.B. Karpaten), als Feinde auch eine Rolle.
Zur Feindabwehr warnen sich Murmeltiere gegenseitig. Dabei stoßen sie einen gellenden Ruf aus, der wie ein Pfiff klingt. Die Rufe unterscheiden sich deutlich, je nachdem, welcher Feind sich nähert. Bei einem sich schnell näherndem Feind wie dem Adler ist er 1/3 s lang und anfangs 4 kHz laut, am Ende etwa 2 kHz. Bei einem sich langsam nähernden Feind wie dem Fuchs oder dem Menschen wird der Ruf innerhalb von 5 s bis zu 10 mal wiederholt und liegt jedes Mal zwischen 2 und 4 kHz.
Zur Feindabwehr wird der kräftige Schwanz auf- und abgeschlagen sowie Harn abgegeben. Bei starker Bedrängnis und großer Angst werden die Analdrüsen ausgestülpt, wobei ein übelriechendes Sekret abgesondert wird, das den Angreifer abschrecken soll.
Die natürliche Sterblichkeit wird durch viele weitere Faktoren beeinflusst. Nahrungsmangel, vor allem nach langen Wintern oder in trockenen Sommern, extreme Witterungsbedingungen, z.B. in nasskalten Sommern, ungenügende Winterbaue und zu kleine Winterschlafgemeinschaften sind die häufigsten Todesursachen von Murmeltieren.
Sie sind außerdem häufig mit dem Murmeltierbandwurm befallen, was den Tieren aber wenig auszumachen scheint.
In Jahren mit Nahrungsknappheit kann Weidevieh oder eine hohe Zahl anderer Pflanzenfresser wegen des geringen Futterangebots zur ernsthaften Konkurrenz werden. Bei Nahrungsmittelknappheit entfernen sich Murmeltiere zur Nahrungssuche zwangsläufig weiter von ihrem Bau, was die Gefährdung durch Beutegreifer deutlich erhöht.
Verhalten
Die Anwesenheit von Murmeltieren ist leicht durch direkte Beobachtung, am typischen Warnpfiff und anhand der aufgeworfenen Hügel vor ihren Baueingängen zu erkennen. Murmeltiere graben etwa 3 m tiefe und bis zu 10 m lange Erdhöhlen, die mit Wohnkessel, Vorrats- und Schlafröhren ausgestattet sind. In diesen Bausystemen leben sie kolonieartig in Familienverbänden zusammen. Eine Kolonie besteht aus Familien mit ihren Nachkommen mehrerer Generationen. Im Aktionsraum sind verschiedene Wach-, Spiel- und Staubbadeplätze vorhanden.
Jede Kolonie grenzt ihre Baue, Wege und Nahrungsplätze geruchlich ab und dokumentiert damit ihren Besitzanspruch. Dazu dienen auch die in der Nähe der Baue angelegten Kotablageplätze. Vor allem das dominante Männchen markiert das Revier durch Reiben der Wangendrüsen am Boden und an niedrigen Steinen. Es legt innerhalb des Wohngebiets viel größere Distanzen zurück als die anderen Gruppenmitglieder und patrouilliert regelmäßig entlang der Grenzen des Wohngebiets. Es ist auch sehr aufmerksam und bezieht immer wieder Stellen, von denen aus es die ganze Kolonie übersehen kann.
Bei nahender Gefahr warnt es seine Artgenossen mit einem typischen Pfiff. Das Pfeifen ist ein von allen Tieren verstandenes, weit hörbares Warnen, das eine schnelle Flucht der Kolonie in den Bau auslöst. Der Pfiff ist ein Kehlkopflaut, den das Murmeltier bei geöffnetem Maul in kurzen Serien hintereinander – meist in aufrechter Haltung – ausstößt. Äußerlich sichtbar ist die Erregung der warnenden Tiere durch das Auf- und Abbewegen des dabei gesträubten Schwanzes.
Die Anzahl der Tiere schwankt von Kolonie zu Kolonie und ist vom Gesamtbestand abhängig. Gegenüber den halbwüchsigen Männchen verhält sich das dominante Männchen oft aggressiv, was zum Abwandern der Jungtiere führt. Allein und ohne festen Aufenthaltsort unterliegen diese besonders vielen Gefahren und werden häufig von ihren Feinden erbeutet. In Gebieten, in denen die Nahrungsplätze und die Baue verschiedener Gruppen aufgrund der Geländegegebenheiten konzentriert liegen, kommt es zu häufigen Kontakten zwischen Tieren verschiedener Gruppen. Umgruppierungen innerhalb der Kolonien kommen immer wieder vor. Vor allem zur Paarungszeit werden die Territorien besonders verteidigt.
Die Geländebeschaffenheit begrenzt die Koloniegröße. Kleine Kolonien aus nur wenigen Familien bleiben oft nur wenige Hektar groß, während sich in günstigen Lagen große Kolonien mit bis zu 200 Tieren auf 150 – 200 ha ausdehnen. Ein hohes Maß an Toleranz zwischen den einzelnen Tieren ermöglicht das enge Zusammenleben.
Murmeltiere verbringen etwa 90 % ihres Lebens in ihren Erdbauen. Mithilfe der krallenbewehrten, kräftigen Füße und teils mit den Zähnen werden die Baue gegraben, über Generationen ständig erweitert und das Auswurfmaterial zu imposanten Auswurfhügeln aufgetürmt. Diese sogenannten „Burgen“ sind durch ihre Höhe und die umgebende saftig grüne Vegetation, die durch den Murmeltierkot gut gedüngt ist, schon aus der Ferne erkennbar. Die Baue werden mit Heu ausgekleidet, das vor allem vor und nach dem Winterschlaf erneuert wird.
Im Winter werden häufig andere Baue genutzt als im Sommer. Sommerbaue haben einen kleinen Kessel und viele, kurze Eingänge, die nicht so tief ins Erdreich reichen. Sie liegen meist viel weiter oben am gleichen Hang wie die Winterbaue. Bei optimalen Gegebenheiten können die Sommerbaue nahe des Gletscherrandes und die Winterbaue sogar in lichten Waldbeständen an der oberen Waldgrenze liegen. Die Auf- und Abwanderung der Murmeltierkolonie zwischen Sommer- und Winterlebensraum unterstützt eine gleichmäßige Lebensraumnutzung, sodass genügend Futter für das Anfressen der für das Überleben im Winter notwendigen Fettreserven vorhanden ist.
Der Kessel des Winterbaus kann bis zu 7 m unter der Oberfläche liegen. Er wird mit viel Heu ausgepolstert und der Zugang wird mit Erde und Steinen dicht verschlossen. Dadurch entsteht ein frostfreies, konstantes Milieu während der Dauer des Winterschlafs. Das im Maul der Tiere eingetragene Heu dient nur zur Polsterung des Kessels, nicht aber als Nahrung. Es wird zwar möglichst trocken eingebracht, aber Murmeltiere lassen es nicht bewusst vorher an der Sonne trocknen.
In den Gängen und Kesseln ist es dunkel. Die Murmeltiere orientieren sich mit dem Geruchssinn und den besonders am Kopf und auf den Unterarmen in Gruppen angeordneten Tasthaaren. Die Größe und Architektur der Baue variiert sehr stark, sehr große Baue werden auch ganzjährig genutzt.
Um von einem Hauptbau zum nächsten zu gelangen, benutzen Murmeltiere immer wieder dieselben oberirdischen Pfade. Entlang dieser Wege graben sie sich in regelmäßigen Abständen Fluchtröhren, damit sie bei Gefahr jederzeit eine Zuflucht finden. Auch in der Nähe beliebter Fressplätze werden solche Fluchtröhren gegraben, die unverzweigt sind und etwa 1 m in die Erde reichen.
Vor allem nach Ende des Winterschlafs und wieder im Spätsommer sind Murmeltiere sehr aktiv und gut zu zählen. Beim Verlassen des Baus überprüfen sie erst ausgiebig ihre Umgebung. Anschließend beginnen sie sich zu putzen und ihre Artgenossen zu begrüßen. Murmeltiere sind sehr kontaktfreudig. Sie beschnuppern und putzen sich gegenseitig. Dabei kontrollieren sie die tatsächliche Koloniezugehörigkeit am Sippengeruch und festigen ihre soziale Bindung. Am längsten widmen sie sich der Nahrungsaufnahme, die von einer Mittagsruhe unterbrochen wird. Während länger andauernder Schlechtwetterphasen bleiben die Tiere im Bau.
Nur an kühlen Sommertagen fressen Murmeltiere auch über die Mittagszeit. Dagegen ziehen sie sich an heißen Tagen beim Sonnenhöchststand in ihre Baue zurück. Das ausgedehnte Sonnenbaden, was wahrscheinlich Fellparasiten vertreibt, wird nur an luftkühlen Tagen beobachtet. Murmeltiere kühlen sich ab, indem sie sich auf den Boden legen und so durch die Bauchhaut die angestaute Wärme an den Boden oder Felsen abgeben. Die Hitzeempfindlichkeit dürfte der Grund sein, warum Alpenmurmeltiere nicht in tieferen Lagen vorkommen. Dort verbliebe ihnen aufgrund der größeren Wärme zu wenig Zeit, um genügend Fett für die nächste Überwinterung aufzubauen. Ab Juni beginnen Murmeltiere bereits wieder, Fett einzulagern. Bis Anfang Oktober werden die Fettreserven auf etwa 1 kg aufgefüllt.
Von Mitte Oktober bis Mitte Mai dauert der Winterschlaf. Die Lethargie der Tiere wird ausgelöst durch das Absinken der Außentemperatur, dem Auftreten der ersten Nachtfröste und einem Absinken der Bautemperatur unter 12 °C. Ferner spielen die sich verkürzende Tageslänge und innere Faktoren eine wichtige Rolle als Auslöser der Winterschlafbereitschaft.
Beim Winterschlaf überwintern alle Gruppenmitglieder ohne Nahrungsaufnahme bis zu 7 Monate im selben Winterbau. Dabei ist ihr Körper zu einer energiesparenden Kugelform eingerollt, die Nase zwischen den Hinterbeinen. Ihre Körpertemperatur sinkt auf 10 bis minimal 4 Grad Celsius ab und alle Lebensfunktionen sind stark herabgesetzt. Während dieser Kältephasen atmen sie nur noch 1 – 4 mal pro Minute. Im selben Zeitintervall schlägt das Herz je nach Pulsfrequenz zwischen 5 und 28 mal. Dadurch drosseln die Tiere ihren Energieverbrauch drastisch. Diese Kältephasen werden alle 3 – 4 Wochen unterbrochen, um den Organismus zu regenerieren. In diesen Pausen wird Harn abgegeben. Kot wird keiner abgesetzt, da die Tiere mit vollständig entleertem Darm den Winterschlaf beginnen. Nur Dank den im Sommer mit der Nahrung aufgenommenen essentiellen Fettsäuren sind Murmeltiere in der Lage, mit solchen tiefen Körpertemperaturen zu leben.
Der größte Teil des Winterschlafs ist im Übrigen eine Kältestarre (Kaltphase) und folglich kein echter Schlaf. Geschlafen im eigentlichen Sinn wird nur während der wiederholten, kurzen Warmphasen. Damit noch mehr Fettreserven gespart werden, erhöhen alle Gruppenmitglieder ihre Körpertemperatur zur gleichen Zeit. Das dominante Männchen wärmt als Erstes auf, gefolgt von seinen Söhnen, dem Weibchen und den weiblichen Jungtieren.
Die Jungtiere werden in der Mitte gehalten und so den ganzen Winter hindurch passiv von den Artgenossen gewärmt. Ohne diese Wärme würden sie mangels ausreichender eigener Fettreserven nicht überleben. Je näher ein Gruppenmitglied mit den Jungen verwandt ist, um so mehr wärmt es diese.
Während des Winterschlafs wird das im Unterhautfettgewebe eingelagerte Fett fast restlos verbraucht. Vom Fett, das die Eingeweide umgibt, verbleibt noch ein gewisser Rest, um die karge Zeit nach dem Winterschlaf zu überleben. Die Vegetation entwickelt sich aufgrund von Spätfrostperioden im Frühjahr oft sehr zögerlich. Außerdem folgt nach dem Winterschlaf die energiezehrende Paarungszeit, sodass die Murmeltiere erst im Mai ihr Jahresminimum des Körpergewichts erreichen. Nur Tiere, die noch genügend Reserven aus dem Winter mitbringen, können sich auch erfolgreich fortpflanzen. Der Winterbau dient häufig ganzjährig als Wohnung. Die für die Überwinterung eingetragene Heu-Auspolsterung wird im Frühjahr aus dem Kessel geschafft, das Röhrensystem wird dann gereinigt und erweitert.
Murmeltiere können über 10 Jahre alt werden.