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Flussregenpfeifer

Flussregenpfeifer (Charadrius dubius)
Rote Liste Deutschland 2007: Die Art ist derzeit nicht gefährdet.

Bis ins 19. Jahrhundert war der Flussregenpfeifer in Mitteleuropa nur entlang der großen Flüsse verbreitet. Mit dem großflächigen Kies- und Sandabbau nahm sein Bestand stark zu. Parallel dazu verlor der Flussregenpfeifer seine ursprünglichen Brutplätze durch die Regulierung der Flüsse, so dass die heutige Population mehr von der Dynamik menschlicher Aktivitäten als von derjenigen natürlicher Flusssysteme abhängig geworden ist.

Eine natürliche Dynamik durch Hochwasserereignisse mit der damit verbundenen Umlagerung der Kiesbänke und Abschwemmung der bis dahin entstandenen Gehölzsukzession hielt in natürlichen Lebensräumen seine extrem kurzlebigen Brutplätze in einem optimalen Zustand. Mit der Entstehung von Kiesflächen durch Abbau wichen die Tiere auf die neu entstandenen Habitate aus, weil an den verbauten Flüssen die Dynamik und damit ihre Lebensräume verloren gegangen sind. So kommt es auf der einen Seite zu Neuansiedlungen, die über ganz Deutschland verteilt sind. Auf der anderen Seite erlöschen Vorkommen durch schnelle Veränderungen der Habitatstrukturen in den Bruthabitaten.

Der europäische Gesamtbestand beträgt etwa 110.000 – 240.000 Brutpaare. Im mitteleuropäischen Teil des Verbreitungsgebiets leben davon etwa 13.000 – 19.500 Brutpaare mit sehr stark verteilten Vorkommen und mit größeren Bestandsfluktuationen (Bauer et al. 2005). Der derzeitige Gesamtbestand in Deutschland liegt bei 5.500 bis 8.000 Brutpaaren (Sudholdt et al. 2013).

Verbreitung

Der Flussregenpfeifer brütet als einziger seiner engeren Verwandten an den Binnengewässern in fast ganz Europa (außer Norwegen, Island, Irland und Schottland) sowie in Asien und Nordafrika. Er zieht über den Mittelmeerraum nach Afrika bis in den Süden der Sahara, überwintert teilweise aber schon an der Mittelmeerküste (Algerien, Tunesien, Nildelta). Auf dem Durchzug rastet er oft auf Schlammbänken und an Sandufern.

Brutplätze

Natürliche Brutplätze sind Kies-, Schotter- und Sandbänke des Tieflandes, die als Inseln oder Uferstreifen von den Wildflüssen nach dem Frühjahrshochwasser zurückgelassen werden.
Zum Brüten sucht er große, ebene, übersichtliche und vegetationsarme Gelände aus Sand, Schlick oder Erde auf, die zumindest an einigen Stellen kleinere Steinchen oder Muschelbruchstücke enthalten. Sind diese Gelände mit Flachwassertümpeln, die bis in den Juli nicht austrocknen, kombiniert, findet der Flussregenpfeifer optimale Lebensbedingungen.

Da nicht mehr genügend geeignete natürliche Brutplätze vorhanden sind, brütet ein Teil der heutigen Population auf künstlich geschaffenen Standorten, die dem menschlichen Einfluss unterliegen. So besiedelt er Kiesgruben, Sandgruben, Großbaustellen, Industrieareale, Bahnhofsgelände mit stillgelegten Gleisen und mit Kies und Steinchen bedeckte Flachdächer. Der Flussregenpfeifer findet und besetzt schnell und flexibel Bruthabitate, die für ihn optimale Lebensbedingungen enthalten.

In trockenen Jahren mit niedrigen Wasserständen bewohnt er die Ränder von Flachgewässern und Uferbänke an Seen, im Frühjahr nicht aufgestaute Fischzucht- und Klärteiche, auch kleine Tümpel mit Steinchenrändern in spärlich bewachsenen Äckern, kaum begrünte Ödländereien wie Erd- und Baustoffkippen, flachufrige Gewässer im Abraumgelände des Braunkohlenbergbaues und sandige Baumschulen. Kiesgruben bieten ihm meist nur kurzfristig geeigneten Lebensraum. Solange Kies abgebaut wird, findet er in der Regel genügend offene und ungestörte Flächen für seine Brut. Sobald die Kiesgrube stillgelegt und rekultiviert wird, verändert sich das Habitat und viele Brutmöglichkeiten gehen wieder verloren.

Zerstörung des Lebensraumes

Mittlerweile nimmt der Bewuchs durch die mit dem Regen auf die Flächen gebrachten Stickstoffverbindungen (z.B. aus Stickoxiden der Autoabgase) in seiner Dichte, Höhe und Wuchsgeschwindigkeit so schnell zu, dass der Flussregenpfeifer diese Flächen nicht mehr besiedeln kann.

Immer mehr Kiesgruben werden teilweise schon während des Kiesabbaus rekultiviert. Das bedeutet, dass in einem Teil abgebaut und ein anderer bereits wieder als Deponie verwendet wird. Die Zahl der Kiesgruben mit Deponiebetrieb (z.B. mit Bauschuttaufarbeitung) hat stark zugenommen. In solchen Gruben kann der Flussregenpfeifer nur noch unter schlechten Bedingungen oder gar nicht mehr brüten. Gruben mit Löschkalkablagerungen können tödlich für ihn sein, da sie mit ihrem Substrat günstige Bedingungen vortäuschen. Der Gelegeuntergrund ist jedoch stark ätzend, so dass vor allem nach Regenfällen die Embryonen durch die ätzenden Ausdünstungen absterben.

Da ursprüngliche Flussläufe begradigt, eingedämmt und mit Stauwehren (z.B. für elektrische Wasserkraftwerke) versehen wurden, sind die meisten natürlichen Kiesbänke verschwunden. In den sehr eng gewordenen Flussauen entstehen oft nur Kiesstrukturen, die lediglich im Frühjahr, wenn der Wasserpegel absinkt, trockenfallen. Steigt der Pegel wieder gering an, werden sie schnell wieder überschwemmt. Die meisten Flussbiotope sind deshalb heutzutage für die Brut des Flussregenpfeifers nur noch in sehr geringem Maße geeignet.

Fast alle Bruthabitate, die es heute noch gibt, sind menschlichen Ursprungs und deswegen schnellen und starken Veränderungen unterworfen. Überwiegend halten sie sich nur für wenige Jahre oder Jahrzehnte.

Auch Hochwasser beeinträchtigen die Flussregenpfeiferbestände sehr.

Dennoch haben sich die Bestände des Flussregenpfeifers durchaus positiv entwickelt, nachdem in der Folge der Renaturierung von Flüssen wieder dynamische Prozesse mit regelmäßig neu entstehenden Kiesflächen geeignete Lebensräume schaffen.

Störungen

Viele Bruten werden durch Moto-Cross-Fahrer, Offroad-Autofahrer, Angler, Badegäste, Partyfeierer, Modellbootbetreiber an Kiesseen und anderen Erholungssuchende gestört.

Seuche

Botulismus, eine Seuche der Wasservögel, kann auch Auswirkungen auf die Bestände des Flussregenpfeifer haben.

Folgende Maßnahmen tragen zum Schutz des Flussregenpfeifers bei:

Habitatgestaltende Maßnahmen

  • Da die bevorzugten Bruthabitate natürlicherweise einen temporären Charakter haben und oft raschen Veränderungen unterliegen, sind Maßnahmen zur Wiederherstellung, Schutz und Renaturierung natürlicher Fließgewässer mit entsprechender Dynamik am bedeutsamsten.
  • Entwicklung und Pflege von vegetationsarmen Kies- und Schotterbänken (regelmäßige Folgepflege zur Offenhaltung erforderlich).
  • Berücksichtigung der Ansprüche des Flussregenpfeifers.

Reduzierung von Störungen

  • Reduzierung von Störungen z. B. durch intensive Freizeitnutzung in Fluss- und Auengebieten sowie in den künstlichen Lebensräumen (Abbaugruben etc.) durch Ausweisung von Schutzzonen, Sperrungen sensibler Kernbereiche oder Besucherlenkung während der Fortpflanzungszeit.

(Bauer et al. 2005)

Systematik

Ordnung: Charadriiformes (Schnepfen-, Möwen- und Alkenvögel)
Familie: Charadriidae (Regenpfeifer)

Aussehen

Der sperlingsgroße Flussregenpfeifer ist ein für seinen Lebensraum ungewöhnlich gut getarnter Vogel. Die Oberseite ist erdfarben, die Unterseite sowie die äußersten Schwanzfedern sind weißlich.

Ein anderes unverwechselbares Kennzeichen ist ein schwarzes Band, das sich über die sonst weiße Stirn zieht und meist durch einen schmalen weißen Saum vom braunen Scheitel getrennt wird. Ein weiteres auffälliges, schwarzes Band läuft vom Schnabel durch das Auge, welches sich hinter dem Auge verbreitert, sich aber nicht weiter bis in den Nacken fortsetzt. Ein zweites schwarzes Band läuft über die Kehle, läuft auf dem Rücken zusammen und ist auf der Vorderseite etwas schmaler. Außerhalb der Brutsaison fehlt dem Flussregenpfeifer die schwarze Gesichtszeichnung, stattdessen ist die Kopfoberseite bräunlich gefärbt.

Er hat auffallend große Augen, die durch gelbe Augenringe umrahmt sind. Männchen unterscheiden sich von den Weibchen durch breitere, dottergelbe Augenringe und schwärzere Gesichtsmasken. Der Flussregenpfeifer sucht mit seinem kurzen, schlanken, schwarzen Schnabel die karge Vegetation nach Insekten ab. Seine Beine sind im Verhältnis zum Körper auffallend lang. Im Sommer unterscheidet er sich von seinen Verwandten am einfachsten durch den schwarzen Schnabel.

Im Herbst, wenn die Jung- und Altvögel der nordischen Arten durch unsere Breiten ziehen, kann die Artbestimmung schwieriger werden. Dann gibt es Verwechslungsmöglichkeiten mit anderen Arten, die in ihrem Schlichtkleid sehr ähnlich gefärbt sind.

Fortpflanzung

Der Flussregenpfeifer beginnt nach seiner Rückkehr aus dem Überwinterungsgebiet im Süden Ende April/Anfang Mai die Balz im angestammten Brutrevier. Das Männchen imponiert dem Weibchen mit einem fledermausartigen Singflug, der von rauhen Lauten begleitet ist.

Nachdem sie sich verpaart haben, bauen beide Partner eine flache Mulde in den steinigen oder sandigen Untergrund. Sie bauen ihr Nest bevorzugt auf Steinflächen mit Steinchengrößen von 5 – 20 mm; eher selten besiedeln sie Steinflächen mit eigroßen oder noch größeren Steinen. Der Flussregenpfeifer meidet reinen, sehr hellen Sand und dunkle Muttererde, da seine Eier darin schlecht getarnt wären. Sein Nest ist eine flache Mulde am Boden, die nicht gepolstert, sondern höchstens mit ein paar Steinchen, Schneckenschalen oder ähnlichen Dingen belegt wird. Nicht selten wird es direkt neben einem Stein oder Treibholzstück – von etwa eigener Körpergröße – angelegt, um einen Sichtschutz zu haben.

Ein Gelege besteht regelmäßig aus 4 sandfarbenen, dunkelgefleckten Eiern, die nach Limikolenart mit ihrem spitzen Pol nach innen liegen – alle Schnepfenvögel (Limikolen) legen in gleicher Weise ihre 4 Eier ab. Nach 4 – 6 Tagen sind alle Eier gelegt. Beide Partner brüten abwechselnd 22 – 26 Tage lang nach der Ablage des dritten Eies. Da die Eier recht groß sind und zusammen fast soviel wiegen wie der Altvogel, können sie von den kleinen Flussregenpfeifern auf dem nackten Erdboden kaum erwärmt werden. Deswegen kann die Brutzeit in Kaltwetterperioden bis zu einer Woche länger dauern als bei warmer Witterung.

Mit nur 5 g Lebendgewicht ist der frisch geschlüpfte Flussregenpfeifer das kleinste einheimische Nestflüchterjunge. Die Küken schlüpfen etwa gleichzeitig, nachdem sie sich schon Tage vorher mit Pieptönen durch die Eischale hindurch bemerkbar gemacht haben. Die Altvögel nehmen die Eischalen sofort nach dem Schlupf mit dem Schnabel auf und lassen sie im Flug in einiger Entfernung vom Nest fallen. Die Jungtiere verlassen den Brutplatz bald nach dem Schlüpfen. Schon nach wenigen Stunden können sie schnell laufen und picken nach Nahrung. Die Jungtiere besitzen eine hervorragende Tarnfärbung und drücken sich bei jeder Gefahr dicht an den Boden. Schon nach 3 Tagen können sie jede Deckung geschickt ausnutzen. Sie werden mehrere Wochen lang von beiden Elterntieren angeleitet. Nach 24 – 28 Tagen können sie bereits fliegen.

Geht das Erstgelege verloren, können bis zu zwei Nachgelege mit jeweils 4 Eiern angelegt werden. Wenn mehrere Paare zusammen brüten, regt sie dies zum Tätigen von Nachgelegen und zum längeren Verweilen am Brutort an.

Nahrung

Die Nahrung des Flussregenpfeifers besteht aus Insekten, Spinnen, kleinen Schnecken, Würmern und anderen Kleintieren. Er ortet seine Beute in der Regel mit den Augen. Gelegentlich kann man beobachten, wie ein Flussregenpfeifer energisch auf dem Sand oder Schlamm herumtrampelt, um seine Beute aktiv aus ihren Schlupfwinkeln aufzuscheuchen.

Natürliche Feinde

Fuchs, Waschbär, Marderhund, Iltis, Mink, Wiesel, Igel, Wanderratte, Möwe, Rabenkrähe, Elster, Eichelhäher und Weihe sind Gelege- oder Jungvogelräuber des Flussregenpfeifers. Auch Turmfalke und Mäusebussard stellen eine Gefahr für seine Jungvögel dar. Der zunehmend in Kiesgruben brütende Uhu kann auch den Altvögeln gefährlich werden. Genauso müssen sie sich vor Sperber und Habicht in Acht nehmen.

Verhalten

Der Flussregenpfeifer stößt am häufigsten einen weich abfallenden Pfiff aus, der wie „tiüh“ klingt.

Besonders charakteristisch ist sein Gang. Nach einer Folge rascher Trippelschritte bleibt er für einige Sekunden wie angewurzelt stehen. Bei heißem Sommerwetter suchen die Jungen Schutz unter dem Gefieder der Altvögel. Diese durchtränken vorab ihr Gefieder mit Wasser, um so ihren Jungen auf den oft schattenlosen Kiesflächen etwas Kühlung zu verschaffen. Genauso kühlen und beschatten sie auch ihre Eier.

Gelangt ein Mensch oder Fraßfeind in die unmittelbare Nähe ihrer Jungen, geben die Altvögel unvermittelt ihre Tarnung auf. Sie fliegen vor den Eindringling, stellen sich flügellahm und geben auffällige Rufe von sich. So ziehen sie alle Aufmerksamkeit auf sich und locken den Eindringling von den Jungen weg. Der Flussregenpfeifer kann erstaunlich schnell rennen. Die Beine werden bei einem Spurt so rasch bewegt, daß sie kaum zu erkennen sind.

Mitte/Ende Juli ziehen die Flussregenpfeifer bereits wieder in ihre Überwinterungsgebiete. Auf den Rastplätzen finden sich oft schon ab Juni die ersten flüggen Jungvögel aus den Erstbruten und Paare, die kein zweites Mal brüten, ein.