Teichrohrsänger
Teichrohrsänger (Acrocephalus scirpaceus)
Andere bekannte Namen: Spitzkopf (Naumann 1820)
Rote Liste Deutschland 2007: Die Art ist derzeit nicht gefährdet.
Mit der beginnenden Gewässereutrophierung im 19. Jahrhundert dehnten sich Röhrichte zunächst aus. Parallel dazu breitete sich der Teichrohrsänger in Europa durch Arealerweiterung vor allem nach Norden und durch den Anstieg der örtlichen Bestände aus. Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts kam es – örtlich und regional sehr unterschiedlich – zu Bestandsrückgängen aufgrund der Zerstörung der Gewässer und durch großflächiges Schilfsterben als Folge zu starker Gewässerdüngung.
Mit dem Schutz der Lebensräume und der Verbesserung der Wasserqualität in den folgenden Jahrzehnten erholten sich die Bestände zwar wieder, erreichten aber nie wieder die früheren Größen.
Der europäische Gesamtbestand liegt bei ca. 2,7 – 5 Mio Brutpaaren, davon in Mitteleuropa ca. 380.000 – 940.000 Brutpaare. (Bauer et al. 2005). Bedeutendstes Brutgebiet in Mitteleuropa ist der Neusiedler See zwischen Österreich und Ungarn. Der derzeitige Gesamtbestand in Deutschland liegt bei 110.000 bis 180.000 Brutpaaren (Sudholdt et al. 2013)
Wie viele andere Vogelarten wurde der Teichrohrsänger früher auch in Deutschland gegessen. „Ihr Fleisch ist eine wohlschmeckende Speise, aber man tötet sie deshalb, wie billig, nicht absichtlich.“, berichtet Johann Friedrich Naumann im Jahr 1820. Heute stehen verschiedene Kleinvögel in manchen Mittelmeerländern noch immer auf der Speisekarte.
Verbreitung
Der Teichrohrsänger brütet in Europa und Nordwestafrika, kommt in einem stark aufgesplitterten Areal in Asien vor und erreicht im Süden das Mittelmeer und einige Inseln, z.B. Zypern. Früher lebte er an jedem schilf- und weidenbewachsenen Dorfteich und an Bächen. Er war weit, wenn auch naturgemäß lückig, verbreitet. Auch heutzutage ist der Teichrohrsänger neben dem Sumpfrohrsänger noch am häufigsten in den mitteleuropäischen Schilfgebieten anzutreffen.
In Deutschland hält sich der Teichrohrsänger von Ende April bis Anfang Oktober auf. Da das Schilfwachstum in den höheren Lagen für ihn zu spät einsetzt, brütet er vornehmlich in den Niederungen. Nur selten ist er bis über 500 m Meereshöhe anzutreffen.
Uferbiotope
Er brütet an fast allen Gewässern, die einen kleinen Schilfbestand aufweisen. Bevorzugt werden hochgewachsene Altschilfbestände mit einer großen Halmdichte, wobei das Schilf nicht unbedingt im Wasser stehen muss. Neben reinen Schilfbeständen nimmt er auch Rohrkolbenröhrichte, Ufergebüsche, Goldrutenbestände, Rapsfelder, Brennessel- und Distelbestände an.
Die verschiedenen Rohrsängerarten teilen sich die unterschiedlichen Vegetationsbereiche bzw. Zonen im Röhrichtbereich des Gewässers auf. Nur an Gewässern, die alle Röhrichtzonen aufweisen, finden sich auch alle Rohrsängerarten nebeneinander in den jeweiligen, arttypischen Habitatstrukturen.
Zerstörung des Lebensraumes
Neben Gebieten mit stabilisierten Beständen gibt es solche, in denen der Teichrohrsänger als Brutvogel verschwunden ist. Die größte Gefährdung geht durch Röhrichtverluste aus.
Diese können verschiedene Ursachen haben:
- Entwässerung,
- Fluß- und Bachbegradigung und -verbauung,
- Trockenlegung mit nachfolgendem Umbruch von Feuchtwiesen,
- Kanalisierung oder Beseitigung kleiner Wiesengräben und deren intensive Pflege,
- Aufdüngung der Gewässer und der Ufer durch intensive Landnutzung in den Randbereichen,
- Zuschütten von sumpfigen Niederungen und deren Aufforstung,
- intensive Teichwirtschaft und
- Gewässerbelastung mit Umweltgiften, Bioziden und Schwermetallen.
Auch durch Flurneuordnungen verschwanden Lebensräume des Teichrohrsängers. Mit ihm gingen noch viele andere ebenso bedrohte und seltene Tier- und Pflanzenarten verloren.
Wassersport
Die für den Teichrohrsänger wichtigen, dichten und ungestörten Schilfbestände über sauberem Wasser naturnaher Teich- und Seeufer wurden und werden auch heute noch durch Gewässerausbau und Freizeitaktivitäten beeinträchtigt oder zerstört.
Seen und Teiche mit intensiver Freizeitnutzung (Wassersport) entwerten die möglichen Brutplätze so stark, dass der Teichrohrsänger diese Gebiete dauerhaft meidet.
Lebensraum erhalten
Schon 1989 wurde der Teichrohrsänger vom Naturschutzbund zum Vogel des Jahres erklärt, um auf die Bedrohung seines Lebensraumes aufmerksam zu machen.
Folgende Maßnahmen können die notwendigen Lebensräume erhalten, eine dauerhafte Besiedlung fördern und so zum Erhalt der Teichrohrsänger-Populationen beitragen:
- Verbesserung der Wasserqualität durch den beschleunigten Ausbau von Klärwerken,
- Neuanlage von Sumpfklärbecken mit Schilf,
- Freihalten der letzten Schilfufer von Angelsport, Badebetrieb und Bootsverkehr,
- Schutz der Uferbereiche vor Erschließung und Verbauung,
- Schutz und Erhalt von Kleingewässern und
- Renaturierung von Flüssen und Bächen.
Nur so können Rohrsänger, aber auch Rohrdommel, Rohrweihe und Rohrschwirl überleben.
Systematik
Ordnung: Passeriformes (Singvögel)
Familie: Sylviidae (Grasmücken und Verwandte)
Aussehen
Der Teichrohrsänger ist etwa so groß wie eine Meise und wiegt rund 15 g. Er hat den typischen spitzen Kopf eines Insektenfressers mit einem langen, schmalen Schnabel.
Seine Körperfärbung tarnt ihn gut in alten Schilfhalmen: Auf der Oberseite ist er einfarbig braun, während die Unterseite bräunlichweiß ist. Seine Kehle besitzt eine weißliche Färbung und seine Beine sind dunkel. Der kurze, recht undeutliche helle Überaugenstreif endet meist unmittelbar am Auge. Während die braune Oberseite meist zusätzlich etwas olivgrau eingefärbt ist, sind die Flanken und Unterschwanzdeckfedern beigebraun getönt. Im Bürzelbereich ist die Färbung heller rostbraun. Altvögel erscheinen durch Abnutzungserscheinungen ihres Gefieders während des Sommers am Ende der Brutsaison auf der Oberseite mehr graubraun, auf der Unterseite weißlich.
Fortpflanzung
Der Teichrohrsänger wird mit einem Jahr geschlechtsreif. In der Regel bleibt ein Paar für eine Saison zusammen und brütet ein- bis zweimal. Aufgrund der senkrechten Strukturen in der Vegetation, in der der Teichrohrsänger lebt und brütet, baut er sein Nest nicht in der bei Singvögeln sonst üblichen Art und Weise. Zuerst konstruiert das Weibchen eine Plattform aus losen, um die Schilfstängel gedrehten Halmen. Dann legt sie mit elastischerem Material Schleifen um die Trägerhalme, deren Enden in die Nestwand gesteckt werden. Aus Schilfrispen, Grashalmen und selbst klebrigen, jedoch elastischen und reißfesten Spinnweben entsteht eine äußerst widerstandsfähige Konstruktion, die starkem Wind standhält.
Das Nest liegt in hochwassersicherer Höhe über dem Boden, meist in 60 – 100 cm über dem Wasserspiegel. Damit die Eier oder Jungvögel nicht aus dem Nest fallen, ist der sogenannte „Napf“ des Nestes tiefer als bei anderen Arten. Die Tiefe des Napfes beträgt etwa 5 cm, was der 3,5-fachen Eigröße entspricht. Die eigentliche Nestmulde wird vom Weibchen in das Nest gestemmt. Im Winter kann man oft noch fast intakte Nester aus der Brutzeit finden, es sei denn, sie wurden bereits während der Brutzeit für den Bau eines neuen Nests verwendet.
Gibt es in einem sonst passenden Biotop keine Schilfbestände, kann der Rohrsänger sein Nest gelegentlich auch an andere senkrechte Pflanzenstängel, z.B. an Weidenzweige, hängen.
Häufig bleiben Teichrohrsänger ihrem Brutort treu. Obwohl sie relativ früh im Brutgebiet ankommen, beginnt die Hauptlegezeit der Teichrohrsänger relativ spät erst Ende Mai/Anfang Juni. Sie passen ihren Brutbeginn an die Vegetationsentwicklung an. Bis Stauden oder Röhrichtpflanzen wieder gewachsen sind, vergehen mitunter mehrere Wochen. Das Vollgelege besteht aus 3 – 5 Eiern. Je später die Brut beginnt, desto weniger Eier legen sie. Das gilt vor allem für die Zweitgelege, die immer weniger Eier als die Erstgelege enthalten. Das Weibchen bebrütet die Eier tagsüber etwa zu 70 Prozent; nachts brütet es ausschließlich alleine. Nach 10 – 13 Tagen verlassen die Jungen das Nest, sind anfangs aber noch ungeschickte Kletterer. Deswegen sitzen sie bevorzugt auf waagerechten Halmen. Die Elterntiere füttern sie noch etwa 2 Wochen lang nachdem sie ausgeflogen sind.
Der Teichrohrsänger kann Bastarde mit dem Sumpfrohrsänger zeugen.
Der Kuckuck missbraucht den Teichrohrsänger als eine von mehreren Vogelarten als Wirt für die Aufzucht seiner Jungen. Ein Kuckucksweibchen ist lebenslang auf eine Wirtsvogelart geprägt. Es legt immerhin 10 – 20 Eier in einer Brutsaison, jeweils nur eines pro Wirtsnest. Ist das Kuckucksweibchen dabei unvorsichtig, verlassen die Teichrohrsänger aufgrund ihrer sehr hohen Störungsempfindlichkeit sofort das Nest. Nur wenn das Kuckucksweibchen ihr Ei relativ unbemerkt in das Nest legen kann, hat auch der junge Kuckuck eine Überlebenschance. Die Kuckuckseier sind zwar etwas größer als die eigenen Eier, aber sehr ähnlich gefärbt, so dass der Teichrohrsänger den Betrug nicht merkt.
Nahrung
Der Teichrohrsänger ist ein sogenannter Generalist. Das bedeutet, dass seine Nahrungsgrundlage vielfältig ist. Vor allem erbeutet er kleinere Insekten, Schnecken und Spinnen. Als sehr gewandter Insektenjäger fängt er seine Beute entweder in der Luft mithilfe eines kurzen Sprunges von seiner Warte aus, im Flatterflug oder beim Klettern im Halmenwald.
Sein Nahrungsspektrum ist je nach Lebensraum und dem damit verbundenen Beuteangebot unterschiedlich. Gerne geht er in den Morgen- und Abendstunden auf Nahrungssuche, da dann Fliegen und andere Insekten leichter zu erbeuten sind als in der Mittagshitze. Häufig sucht er auch Bäume und Büsche der näheren Umgebung nach Nahrung ab. Er verteidigt seine Nahrungsterritorien nicht, allerdings gehen sich einzelne, benachbart brütende Paare an den Ufern aus dem Weg. Unverdauliche Chitinreste würgt er er als Speiballen wieder aus.
Natürliche Feinde
Es herrscht grundsätzlich eine hohe Konkurrenz um geeignete Brutplätze im Schilf. Hohe Brutverluste durch Feinde entstehen insbesondere in ausgedünnten oder verbuschten Röhrichten. Sperber und Rohrweihe stellen hier den Altvögeln nach; Wildschwein, Fuchs, Marder, Ratten und andere Tiere plündern gerne die Nester aus.
Verhalten
Der tagaktive Teichrohrsänger ist der beste Kletterer unter den heimischen Rohrsängern. Er verteidigt sein Brutrevier intensiv gegen Artgenossen.
Der Zug in die Feuchtsavannen Afrikas findet breitflächig nachts statt. Die Flugroute des Teichrohrsängers ist genetisch festgelegt. Er orientiert sich am Stand der Sterne. Tagsüber rastet er in feuchten Schilfgebieten, aber auch weitab von Gewässern in Gebüsch, Hochstauden, Hecken und Gärten. Die lange Reise über Mittelmeer und Sahara zehrt an seinen Kräften. Die Fettreserven, die er sich vor dem Abflug in Mitteleuropa zulegt, werden während des Zuges aufgebraucht, wobei das Körpergewicht um ein Drittel schrumpft.
Auf seinem Zug vollbringt der Teichrohrsänger beträchtliche Leistungen: In nur 4 Nächten legte ein beringter schwedischer Vogel 1.000 Kilometer bis zu einem Rastgebiet in Luxemburg zurück. Bis zu 450 km pro Tag kann der Teichrohrsänger fliegen. Dies wurde ebenfalls durch einen beringten Vogel dokumentiert. Der Teichrohrsänger besitzt einen erstaunlich ausgeprägten Orientierungssinn, der ihn nach seinem 4.000 km langen Flug in die Überwinterungsgebiete Westafrikas punktgenau zum Heimatort zurückbringt.
Der Teichrohrsänger hat die Angewohnheit, auf einem Schilfhalm hinauf und herunter zu rutschen und von Halm zu Halm zu hüpfen. Durch die scharfrandigen Halme nutzt sich sein Gefieder stark ab, welches er im Winterquartier wechselt.
Teichrohrsänger und Sumpfrohrsänger sehen sehr ähnlich aus und kommen mitunter im gleichen Lebensraum vor. Sie unterscheiden sich vor allem im Gesang. Der Sumpfrohrsänger singt sehr laut, wohlklingend und abwechslungsreich mit einer Fülle verschiedener Motive in ständigem Wechsel von Tempo und Klangfarbe. Der Gesang des Teichrohrsängers ist dagegen wesentlich eintöniger. Er bleibt fast nur in einer Tonhöhe und wechselt die Geschwindigkeit seiner abgegebenen Laute nur selten. Einzelne Elemente wie „tscharr“ und „tschirrak“ werden wenige Male wiederholt und durch gleichlange Pausen voneinander getrennt. Nur ab und zu wird die Strophe mit nachgeahmten Lauten anderer Vögel variiert. Meist beendet er seinen Gesang abrupt.
Die Gesänge der Teichrohrsänger können sich in der Morgen- und Abenddämmerung in dicht besiedelten Gebieten zu einem regelrechten Chorgesang entwickeln. Sind die Weibchen erregt, singen auch sie. Ihr Gesang ist zwar kürzer, aber sonst nicht von dem des Männchens zu unterscheiden. Haben sich die Paare zusammengefunden, singen sie seltener. Erst im Juli, wenn sie ein zweites Mal brüten, nehmen sie ihren Gesang wieder auf.
Teichrohrsänger können vereinzelt bis 12 Jahre alt werden. Durch beringte Testvögel konnte mehrfach ein Höchstalter von 5 – 6 Jahren festgestellt werden.