Gänsesänger
Gänsesäger (Mergus merganser)
Rote Liste Deutschland 2007: 2 (stark gefährdet)
Der Gänsesäger ist der größte und häufigste Vertreter der europäischen Sägerarten. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts nahmen die Gänsesäger in Europa bis auf isolierte Restpopulationen ab. Der Bestand erholte sich erst, als die Jagd auf Gänsesäger ab 1970 verboten wurde. Zwischenzeitlich verlassene, ehemals besiedelte Brutgebiete werden seitdem wieder genutzt und es finden sogar Neuansiedlungen außerhalb des ehemaligen Verbreitungsgebiets statt.
Allerdings sind die Brutpopulationen am Rand des mitteleuropäischen Verbreitungsgebiets nach wie vor sehr klein und noch immer vom Aussterben bedroht. Der gegenwärtigen Bestandszunahme stehen in vielen Gebieten niedrige Nachwuchsraten gegenüber, so dass noch nicht von langfristig gesicherten Populationen ausgegangen werden kann.
Der europäische Bestand des Gänsesägers wird derzeit auf etwa 47.000 – 74.000 Brutpaare geschätzt. Davon brüten in Mitteleuropa 1.600 – 2.000 Brutpaare, die ihren Verbreitungsschwerpunkt im Ostsee- und Voralpengebiet haben (Bauer et al. 2005). Vor allem im Bereich der voralpinen Seen steigt der Bestand des Gänsesägers an. Im Ostseeraum werden eher Fließgewässer besiedelt. Das Oder-Mündungsgebiet in Polen entwickelt sich derzeit zu einem bedeutenden Überwinterungsgebiet. In weiten Teilen Mitteleuropas sind Gänsesäger regelmäßige Durchzügler und Wintergäste, wobei die Zahlen der Überwinterer stark schwanken. Der derzeitige Gesamtbestand in Deutschland liegt bei 950 bis 1.100 Brutpaare (Sudholdt et al. 2013).
Amerika, Europa, Asien
Gänsesäger besiedeln mit drei Unterarten den Norden Amerikas, Europas und Asiens. Mehr oder weniger isolierte Vorkommen am nördlichen Alpenrand in Deutschland, Österreich und der Schweiz, am Balkan und in den Hochgebirgen Zentralasiens zeigen die südliche Verbreitungsgrenze an. In Deutschland brüten sie hauptsächlich im Ostseeraum, in Ostbrandenburg und in Südbayern. Im Alpengebiet leben sie an großen Seen, während sie in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Ungarn als Brutvögel ganz fehlen.
Gewässer
Gänsesäger brüten an klaren, fischreichen Meeresküsten, Seen und Flüssen. Sie bevorzugen Fließgewässer mit einer Breite von 50 – 70 m, nutzen aber auch kleinere Bäche und Flüsse. In Deutschland treten sie vor allem entlang der großen Flüsse, sowie an großen Bagger- oder Waldseen im Binnenland auf. Da sie Baumhöhlenbrüter sind, bevorzugen sie Gewässer, die im unmittelbaren Uferbereich mit alten Bäumen bestanden sind. Den Winter verbringen sie in Trupps an Meeresküsten und auf größeren Seen im Binnenland.
Jagd, Zerstörung des Lebensraumes
Bejagung, Zerstörung von Brutbäumen und Flussverbauungen waren die Hauptgefährdungsursachen, die zu einer starken Abnahme der Brutbestände seit den 1930er Jahren führten. In den letzten Jahrzehnten gefährden zunehmend Störungen durch Freizeit- und Erholungsbetrieb die Brutvorkommen und Mausergebiete an Still- und Fließgewässern. Dadurch können lokale Vorkommen der Gänsesäger stark zurückgehen.
Gänsesäger besiedeln vor allem nährstoffarme, klare Seen. Starke Nährstoffanreicherung in Gewässern (Eutrophierung) oder Gewässerverschmutzung führen zu einer Trübung. Dadurch sinkt der Fangerfolg der Vögel.
Umweltgifte reichern sich in den Fischen an, die von den Gänsesägern gefressen werden und beeinträchtigen so die Vögel.
Fischerei
Immer wieder verstricken sich Gänsesäger auch in Fischernetzen oder Angelschnüren, die an Gewässern zurückgelassen werden.
Wassersport
Häufige, lang anhaltende und intensive Störungen können sogar dazu führen, dass ein Lebensraum völlig aufgegeben wird. Es sind vor allem Einflüsse von der Wasserseite her, beispielsweise durch Kanus, Segelboote und Surfer (Wellenreiten, Windsurfen, Kitesurfen), die in der Brutzeit zu starken Beeinträchtigungen des Bruterfolgs führen können.
Folgen der Störung
Werden die Tiere in ihren Winterquartieren gestört, müssen sie in andere Gebiete ausweichen und verbrauchen dadurch übermäßig viel Energie. Der Gänsesäger gilt als guter Anzeiger für den Einfluss des Freizeitbetriebs auf überwinternde Wasservögel, weil er im Winter besonders sensibel ist. Wenn er aufgrund häufiger Störungen tagsüber nicht genügend Nahrung aufnimmt, kann er dies als ausschließlich tagaktiver Vogel in der Nacht nicht ausgleichen. Zudem ist seine Fluchtdistanz mit 250 m sehr hoch. Er kann sich zwar in jagdfreien Gebieten an unbekannte, unschädliche Reize gewöhnen, gibt aber seine Nahrungsgewässer schon auf, wenn an einem 80 m entfernten Ufer regelmäßig Menschen unterwegs sind.
Eine Ausnahmeerscheinung sind Gänsesägervorkommen in Städten des Voralpengebiets. Diese ganzjährig anwesenden Vögel haben die Scheu vor dem Menschen verloren. Offensichtlich ist diese Art der Gewöhnung jedoch an anderen Gewässern nicht zu beobachten. Auch eine geringere Störungsempfindlichkeit von Gänsesägern in sehr strengen Wintern lässt sich eher durch die Schwächung der Tiere als durch Gewöhnung erklären.
Gänsesäger, die sich in größeren Trupps zusammengeschlossen haben, halten größere Fluchtdistanzen ein als Verbände mit weniger Tieren. An kleinen Gewässern reagieren sie daher empfindlicher auf Störungen.
Naturnahe Flüsse
Die Wiederherstellung naturnaher Flüsse, vor allem im Unterlauf, kann die Lebensbedingungen für Gänsesäger stark verbessern, da sich eine Vielzahl an Strukturen entwickeln kann, die störungsfreie Bereiche bieten. Beispiele sind breitere Flussbetten, Biegungen, Inseln, Weichholzauen und Umlagerungsstrecken, wie sie in kanalisierten Gewässern mit durchgehenden Uferwegen nicht zu finden sind.
Nisthilfen
Durch das Anbringen künstlicher Nisthilfen können Brutbestände lokal unterstützt werden. Ruhezonen in den Brut- und Mausergewässern sollten konsequent eingehalten werden, um die störungsanfälligen Gänsesäger in ihrem Bestand zu erhalten.
Jagdrecht
In Deutschland unterliegt der Gänsesäger grundsätzlich dem Jagdrecht, hat jedoch eine ganzjährige Schonfrist und darf daher nicht gejagt werden.
Nahrung
Ein Anstieg der Nährstoffe in den Gewässern (leichte Eutrophierung) führte in der jüngeren Vergangenheit auch zu einem Anstieg des Fischbestandes, vor allem der Weißfische. Diese bilden die wichtigste Nahrungsgrundlage der Gänsesäger. Die Vögel nutzen vor allem den Überschuss an Jungfischen. Ein negativer Einfluss auf Fischbestände ist nicht feststellbar, d.h. es gibt keine Konkurrenz zu Anglern.
Systematik
Ordnung: Anseriformes (Entenvögel)
Familie Anatidae (Entenvögel)
Aussehen
Der Gänsesäger ist deutlich größer als eine Stockente und hat einen großen, stromlinienförmigen Körper. Er hat einen roten, schmalen und langen Schnabel. An der Spitze des Oberschnabels befindet sich ein auffälliger Haken, der Widerhaken in Form von Hornleisten am Schnabelrand aufweist, um die glitschige Fischbeute festhalten zu können. Die Beine sind rot, die Iris ist braun. Der Kopf wirkt durch den fülligen Schopf länglich. Beim Schwimmen wird der lange Hals oft eingezogen.
Große Gefiederpartien des Männchens sind weiß und erscheinen zwischen Winter und Frühjahr lachsrosa getönt. Bürzel und Schwanz sind hellgrau. Die vordere Partie des Rückens und die Schultern sind schwarz, während der schwarze Kopf und der schwarze Hals zusätzlich grünmetallisch schimmern. Durch den Schopf erscheint der Hinterkopf des Gänsesägers beulenförmig verdickt.
Der Kopf des Weibchens ist dunkel rotbraun und durch das weiße Kehlfeld scharf abgesetzt. Sein Schopf ist ebenfalls rotbraun und nicht so dicht wie beim Männchen. Der obere Teil seines Halses ist braun und deutlich gegen den weißen, unteren Teil abgegrenzt. Der Rest des Körpers ist grau gezeichnet. Beim Flug ist ein großes weißes Armschwingenfeld zu erkennen. Die Handschwingen sind schwarz, die Unterarmdeckfedern grau.
Das Ruhekleid des Männchens ähnelt dem des Weibchens, unterscheidet sich aber durch einen dunkleren Rücken und durch die weißen Vorderflügel. Die Gefiederzeichnung der Jungvögel erinnert ebenfalls an die des Weibchens. Der Schnabel ist jedoch nicht so intensiv rot gefärbt. Zwischen der Schnabelbasis und dem Auge verlaufen ein dunkler und ein weißer Streifen. Weiterhin ist der Schopf der Jungtiere deutlich kürzer und das Kinn undeutlicher gegen das braune Kopfgefieder abgesetzt.
Fortpflanzung
Gänsesäger werden im 2. Lebensjahr geschlechtsreif. Die Partner bleiben eine Brutsaison lang zusammen. Sie brüten einmal im Jahr zwischen Ende März und Juni.
Ab Februar/März kehren die Gänsesäger in ihre Brutgebiete zurück. Die nördlichsten Brutgebiete werden erst Mitte April erreicht. Bereits im Frühwinter beginnt die Gruppenbalz. Die ersten Paare bilden sich im November. Das Männchen balzt, in dem es aufgeregt hin und her schwimmt, den Kopf streckt und seinen Körper schüttelt. Das Weibchen fordert das Männchen durch tief gehaltenen Schnabel bzw. durch sich Flachlegen auf der Wasserfläche zur Paarung auf. Dies tut es sogar bereits im Winter, um das Männchen fester an sich zu binden, obwohl in dieser Zeit noch keine Begattung erfolgt.
Das Weibchen macht eine geeignete Baumhöhle ausfindig, indem es die Bäume in Ufernähe abfliegt. Geräumige Baumhöhlen werden gerne mehrere Jahre hintereinander aufgesucht. Neben natürlichen Baumhöhlen nehmen Gänsesäger auch Nisthilfen, Häuser- oder Mauernischen, Felslöcher, ausgehöhlte Baumwurzeln und Kopfweiden als Brutplätze an. Das Nest wird mit Daunenfedern ausgepolstert. Da es zu wenig geeignete Nistplätze gibt, kommt es regelmäßig vor, dass zwei Weibchen ihre Eier in einem Nest zusammenlegen.
Nach dem Schlupf springen die Jungen mit gespreizten Flügeln und Füßen aus der Baumhöhle. Gelegentlich transportiert das Weibchen die Jungen auch in seinem Rückengefieder aus der Bruthöhle. In den ersten Tagen ernähren sich die Jungtiere von kleinen Partikeln, die auf der Wasseroberfläche schwimmen („Anflugnahrung“). Nach 10 Tagen beginnen die Jungen unter Wasser zu jagen, wobei sie anfangs von ihren Eltern begleitet werden. Kleinere Jungvögel werden beim Schwimmen auf dem Rücken des Weibchens getragen. Nach 60 – 70 Tagen werden Gänsesäger flügge. Oft werden sie schon vorher von der Mutter verlassen.
Die Männchen mausern sich fernab der Brutgewässer in der Zeit, in der das Weibchen die Jungen aufzieht. Die Weibchen mausern ihr Hauptgefieder erst später im Juli, wenn die Jungen 4 – 6 Wochen alt sind.
Nahrung
Der Gänsesäger ernährt sich hauptsächlich von Klein- und Jungfischen bis zu einer Länge von etwa 10 cm. Aber auch längere, schlanke Fische wie der Aal werden gerne gefressen. Im Süßwasser jagt er vor allem Weißfischarten (z.B. Rotauge, Rotfeder, Hasel), Seefischarten (z.B. Felchen), Forellenartige und Flussbarsche. Im Salzwasser der Küsten und brackigen Flussmündungen erbeutet er meist Aale, Stichlinge und Krebstiere. Vor allem Jungvögel ernähren sich auch von Wasserinsekten und deren Larven.
Gänsesäger sind ausgezeichnete Taucher. Sie schwimmen mit dem Kopf unter Wasser und suchen dabei nach Beute. Im Winterquartier jagen Gänsesäger gemeinsam, indem sie Ketten bilden und sich gegenseitig Fische zutreiben. Sie jagen überwiegend in Wassertiefen bis zu 5 m, können aber bis über 10 m tief tauchen, wobei sie 30 – 50 s lang unter Wasser bleiben können, bei Gefahr sogar etwas länger.
Ihre größte Aktivität entwickeln sie bei der Nahrungssuche am Morgen sowie am späteren Nachmittag. Gänsesäger meiden Seen, die stark mit Nährstoffen angereichert sind, da deren Sichttiefe gering ist. Grundsätzlich profitieren sie jedoch von einer moderaten Nährstoffanreicherung der Gewässer (Eutrophierung), da ihre Hauptbeute, die Weißfische, in nährstoffreicheren Seen eine bessere Nahrungsgrundlage finden und entsprechend zahlreicher vorhanden sind.
Natürliche Feinde
Der Gänsesäger muss mit seinen Artgenossen und anderen Vogelarten um die Baumhöhlen konkurrieren, die er für den Nestbau benötigt. Dieser Konkurrenzdruck ist groß. Auch die Schellente z.B. sucht gerne Baumhöhlen am Gewässer auf, um darin zu brüten. Aber auch Feinde wie Marder, Waschbär, Eulen und Käuze besetzen diese Höhlen. Da es oft zu wenig geeignete Höhlenbäume gibt, bleiben viele Gewässer unbesiedelt, die ansonsten gute Lebensbedingungen bieten. Jungvögel werden von der Rohrweihe oder vom Habicht erbeutet. Seeadler, Uhu und Wanderfalke erjagen auch die erwachsenen Gänsesäger.
Verhalten
Außerhalb der Brutzeit leben Gänsesäger gesellig zusammen. Im Spätsommer (ab Juli) sammeln sich die mausernden Erpel. Als Ruhe- und Übernachtungsplätze dienen vor allem offene Kies- oder Sandbänke im Wasser, die wegen des Schutzes vor Feinden sehr beliebt sind. Gänsesäger verlassen ihr Brutgebiet erst, wenn der Winter massiv einsetzt und die Gewässer vereisen. Je nach Witterungsverlauf erscheinen sie schon im Oktober/November in den Winterquartieren, oft aber auch erst im Dezember/Januar.
Gänsesäger sind Kurzstreckenzieher und überwintern im Ostseeraum, im nordwestlichen Atlantik, an der Nordseeküste, im Binnenland Mitteleuropas bis nach Frankreich, an der Adria und im Schwarzmeergebiet. In Island und Großbritannien heimische Tiere bleiben meist das ganze Jahr über in ihrem Brutgebiet.