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Schilfrohrsänger

Schilfrohrsänger (Acrocephalus schoenobaenus)
Vorwarnliste 2007
 
Der Schilfrohrsänger ist von den meisten anderen Rohrsängerarten an seinem auffälligen, hellen Überaugenstreif zu unterscheiden. Zusätzlich ist er mit Ausnahme des viel selteneren Seggenrohrsängers der einzige Rohrsänger, welcher einen Singflug macht.

Schilfrohrsängervorkommen unterliegen durch die Abhängigkeit vom Wasserstand zur Brutzeit im Mai sowie von den Biotopgegebenheiten im Allgemeinen starken Bestandsschwankungen. Durch die Beeinträchtigung oder Vernichtung seiner Lebensräume in weiten Teilen seines Verbreitungsgebiets seit den 1960er Jahren kam es im westlichen Mitteleuropa zu einem dramatischen Rückgang der Bestände auf nur noch 5 – 10 Prozent der früheren Populationsgrößen. Mit dem Erlöschen vieler Vorkommen ging auch ein Arealschwund einher.

In Gebieten mit (wieder) günstigen Habitatentwicklungen ergeben sich mitunter auch – abweichend vom allgemeinen Trend – örtliche Bestandserholungen oder sogar Zuwächse. In Mitteleuropa brüten etwa 315.000 bis 593.000 Brutpaare (Bauer et al. 2005), davon in Deutschland 17.000 – 27.000 (Sudholdt et al. 2013). Langfristig geht der Gesamtbestand erkennbar zurück.

Europa

Schilfrohrsänger kommen in weiten Teilen Europas vor, von der Nadelwaldzone Skandinaviens bis hin zu einigen Stellen am Mittelmeer und den Steppengebieten in Zentralsibirien. Sein Areal ist mit vielen Verbreitungslücken durchsetzt (Skandinavien, Iberische Halbinsel, Teile Deutschlands u.a.); vor allem in Südeuropa löst es sich in sehr kleine Verbreitungsinseln auf. In Europa bilden vor allem Osteuropa, Finnland und Großbritannien Verbreitungsschwerpunkte. Im südwestlichen Teil Europas tritt der Schilfrohrsänger nur noch als seltener und örtlich begrenzter Brutvogel auf.

Deutschland

In Deutschland ist der Schilfrohrsänger spärlich, vor allem im Tiefland bis etwa 500 m Meereshöhe verbreitet. In geeigneten Lebensräumen kommt er vor allem im Norden, Nord- und Südosten Deutschlands häufiger vor. In größeren Beständen ist er in den großen Auengebieten oder natürlichen Seenlandschaften als regelmäßiger Brutvogel vorhanden.

Uferbiotope

Der Schilfrohrsänger besiedelt mit Vorliebe eher trockenes Gelände am Rand von Gewässern, das mit Schilf, hohen Gräsern, Mädesüß, Brennesseln und einzelnen Büschen bestanden ist. Er lebt auch in Lebensräumen des Kulturlands, z.B. in hohen Binsen, feuchtem Gebüsch, in niedriger Vegetation von Sumpfwiesen, an Gräben oder Kanälen mit üppigem Bestand an Hochstauden, Gräsern oder Schilf, im Weidendickicht und in verwilderten Gärten, sofern sie am Wasser liegen.

Der Schilfrohrsänger besiedelt eher den stark verlandeten, landseitigen Teil von schilfbestandenen Gewässern, der sich durch nasse, aber nicht im Wasser stehende Vegetationsbereiche auszeichnet. Ebenso lebt er in lichten Auwäldern.

Brutreviere

Seine Brutreviere fallen im Sommer regelmäßig trocken und sind dementsprechend mit dichter Vegetation ausgestattet. Die vertikalen Strukturen im Brutgebiet, z.B. Büsche, dagegen dürfen nicht zu dicht und nicht höher als 3 – 4 m werden. In diesem Lebensraum kommen oftmals auch Dorngrasmücke, Sumpfrohrsänger und Rohrammer vor. Da die landseitigen Röhrichtbereiche sehr schnell verbuschen können, verlieren sie relativ rasch an Attraktivität. Nur bei dynamischen Gewässersystemen entstehen die für den Schilfrohrsänger wichtigen Lebensräume immer wieder neu, z.B. durch eine durch Hochwasserereignisse zurückgenommene Verbuschung.

Rohrsänger

Die verschiedenen Rohrsängerarten teilen sich die unterschiedlichen Vegetationsbereiche bzw. Zonen im Röhrichtbereich des Gewässers untereinander auf. Nur an Gewässern, die alle unterschiedliche Röhrichtzonen aufweisen, finden sich auch alle Rohrsängerarten nebeneinander in den jeweiligen, arttypischen Habitatstrukturen.

Zerstörung des Lebensraumes

Da der Schilfrohrsänger vor allem in Verlandung stehende Biotopbereiche besiedelt, ist der Bestandsrückgang deutlich weniger drastisch als bei den Rohrsängerarten, die eher die offenen und unter Wasser stehenden Röhrichtzonen zum Überleben benötigen.

Dennoch gehen die Bestände des Schilfrohrsängers zurück, wenn deren Lebensraum vernichtet wird, in dem beispielsweise viele Feuchtbereiche für die Landwirtschaft trockengelegt, wenn Uferbereiche und Grabenränder intensiver genutzt oder bebaut werden. Zusätzlich verbuschen die Uferbereiche vieler Gewässer in Mitteleuropa durch die Aufdüngung in ihren Randbereichen stark. Dadurch wird die Habitatstruktur für den Schilfrohrsänger ungünstig und er schreitet nicht mehr zur Brut. An nährstoffarmen Seen in Nordeuropa wurden durch eine gewisse Aufdüngung der Uferbereiche erst günstige Lebensräume geschaffen, so dass sich die Bestände dort eher positiv entwickeln.

Überwinterungsgebiete

Der Schilfrohrsänger überwintert in Afrika im Gebiet des Sahel. Seine Bestände gehen dort zurück, weil Insektizide eingesetzt werden und die anhaltende Dürre einen Nahrungsmangel zur Folge hat.

Natürliche Feinde

In den Brutgebieten hat die Anzahl der Feinde des Schilfrohrsängers, beispielsweise die der Wildschweine, erheblich zugenommen. Hinzu kommt, dass sich gerade in den ostdeutschen Schilfgebieten der Eier räubernde Marderhund zunehmend ausgebreitet hat und die Gelege der dort noch in größeren Beständen vorkommenden Schilfrohrsänger gefährdet.

Wassersport

Die landseitigen Röhrichtbereiche werden durch verschiedene Formen der Freizeitnutzung beeinträchtigt. Hier werden Angelstege errichtet, Lagerplätze etabliert oder Boote angelandet. Bereiche, die an die freie Wasserfläche grenzen, werden durch Badebetrieb, Bootsbetrieb, Surfen (Wellenreiten, Windsurfen, Kitesurfen) und andere Aktivitäten gerade in der Brutzeit oft intensiv gestört. Dies kann zur Aufgabe der Brut(reviere) führen.

Viele Faktoren vermindern die Bestände maßgeblich, sowohl in den heimischen als auch in den Überwinterungsgebieten. Deswegen sind für solche Arten lebensraumsichernde Erhaltungsmaßnahmen in Afrika ebenso wichtig wie der Schutz von heimischen Lebensräumen. So können in unseren Breiten beispielsweise Gewässer vor zunehmender Eutrophierung geschützt und die drohende, dichte Verbuschung der Ufer verhindert werden. Ebenso wichtig ist es, die zunehmende Freizeitnutzung an Gewässern und die intensivierte Nutzung der meist landwirtschaftlichen Randbereiche bevorzugter Lebensräume einzuschränken.

Systematik

Ordnung: Passeriformes (Singvögel)
Familie: Sylviidae (Grasmücken und Verwandte)

Aussehen

Im Gegensatz zu den anderen Rohrsängern ist der Schilfrohrsänger auffallend gezeichnet. Er ist beigebraun, hat einen spitzen Kopf, der mit einem deutlichen und sehr langen, gebogenen und sich nach hinten verjüngenden hellbeigen Überaugenstreif ausgestattet ist. Der dunkle Scheitel mit der undeutlichen Streifung und der schmale dunkle Zügel-Augenstrich bilden dazu einen Kontrast. Das Deckgefieder am Rücken ist bräunlich oder gelblich und unscharf dunkel gestreift.

Fliegt der Schilfrohrsänger auf, wird der rostbraune Bürzelbereich erkennbar. Der Schwanz ist schmal und leicht zugespitzt. Die Hand- und Armschwingen sind dunkelbraun und haben schmale hellbraune Außenränder und Spitzen. Auf der Unterseite ist der Schilfrohrsänger überwiegend weiß, lediglich Brust, Halsseiten und die Unterschwanzdeckfedern sind hellbeige.

Fortpflanzung

Ab Ende April kommen die Männchen der Schilfrohrsänger in der Regel im Brutgebiet an und besetzen sogleich ein Revier. Durchzügler harren gelegentlich bis weit in den Mai hinein in ihren Rastgebieten aus und erwecken so Brutverdacht. Doch nur wenn sie im entsprechend geeigneten Biotop auch im Juni noch anzutreffen sind, kann davon ausgegangen werden, dass sie brüten.

Zum Singen klettert das Männchen aus der Tiefe des Bodenbewuchses heraus und zeigt sich offen auf einem Halm. Erreicht die Balz ihren Höhepunkt, singt es zu jeder Tageszeit, am intensivsten aber in der Morgen- und Abenddämmerung. Manchmal fliegt es singend schräg aufwärts und schwebt dann, ebenfalls singend, mit halb hochgeklappten Flügeln in das Dickicht zurück. Mitte Juli verstummt das Männchen.

Das Weibchen wählt den Neststandort aus und baut das Nest alleine, während es vom Männchen begleitet und bewacht wird. Das Nest ist kein typischer Rohrsängerbau, der an senkrechten Halmen aufgehängt ist, sondern steht zumeist auf feuchtem Boden oder dicht darüber in altem Gras und Schilf. Stengel und Zweige in unmittelbarer Nestnähe werden in seine Wände eingewoben. Das Nest wird durch überhängendes Gras gegen Sichtfeinde aus der Luft gedeckt.

Am ehesten verraten die Eltern den Neststandort, wenn sie ihren Jungen Futter herbeitragen und zwangsläufig dazu das Nest anfliegen müssen. Nähert man sich ihm, so hüpft das Männchen singend um den Eindringling herum, während das Weibchen im Dickicht untertaucht.

Meist brüten Schilfrohrsänger nur einmal im Jahr; nur etwa ein Drittel aller Paare brütet ein zweites Mal. Die Brutperiode dauert dann von Ende Mai bis Ende Juli. Ausschließlich das Weibchen brütet die Eier 13 – 15 Tage aus. Die Jungen verlassen nach 10 – 14 Tagen das Nest und klettern in der dichten, hohen Vegetation umher. Wenn sie ausgeflogen sind, trennen sich auch die Eltern. Dennoch füttern die Eltern ihre bereits ausgeflogenen Jungen weiter. Dabei übernimmt jeder Partner einen Teil der Jungen, die er unabhängig vom Partner weiter selbständig betreut.

Nahrung

Die Nahrung des Schilfrohrsängers ist vielseitig und unterscheidet sich je nach besiedeltem Lebensraum. Es überwiegen Insekten, Spinnen, kleine Schnecken, gelegentlich auch Beeren. Blattläuse werden von den Stängeln und Blättern geerntet. Um für den energiezehrenden Zug nach Afrika Fettdepots anzulegen, nimmt er hauptsächlich Insektennahrung auf.

Natürliche Feinde

Das Revierzentrum des Schilfrohrsängers liegt wie das des Sumpfrohrsängers sehr weit von der offenen Wasserfläche entfernt. Damit gehen sich die einzelnen Arten weitestgehend aus dem Weg. Die Schilfrohrsänger machen ihre Feinde durch ihre auffällige Lebensweise, vor allem durch ihre Singflüge und ihre lauten Gesänge auf sich aufmerksam.

Sperber und Rohrweihe stellen den Altvögeln nach; Wildschwein, Fuchs, Marderhund, Ratten und andere Tiere plündern gerne die Nester aus. Um größere Bestandsverluste zu verhindern, ist er in der Lage bis zu 2 Nachgelege zu tätigen. Geht das Erstgelege verloren, haben sie meist schon nach 4 – 6 Tagen ein Ersatzgelege in einem neuen Nest in 5 – 50 m Entfernung vom ursprünglichen Standort begonnen.

Verhalten

Schilfrohrsänger sind wenig scheu und sehr lebhaft. Emsig hüpfen und laufen sie auf der Suche nach Nahrung in oder auf der dichten Vegetation umher. Auch von der Wasseroberfläche aus werden Insekten erbeutet.

Sie überwintern im tropischen Afrika und legen dafür fast ausschließlich nachts weite Strecken zurück. Sie sind „Langstreckenzieher“. Zwischen Ende April/Anfang Mai und August/Anfang September halten sie sich im Brutgebiet auf. Die meisten Tiere erreichen Brutgebiete in Deutschland Mitte April, meist ein paar Tage vor dem Teichrohrsänger.

Der Schilfrohrsänger ist sehr ortstreu, kann aber auch in deutlicher Entfernung vom vorjährigen Brutplatz siedeln. Rastplätze auf dem Zug und Überwinterungsquartiere werden jedes Jahr regelmäßig aufgesucht. Während des Zugs suchen sie verschiedenste Biotope auf, in den Winterquartieren sind sie jedoch stark an Feuchtgebiete gebunden.

Typisch für den Schilfrohrsänger ist sein melodiöser Gesang. Das Männchen singt mitunter auch nachts oder trägt den Gesang während eines kurzen Singfluges vor. Der Gesang ist laut und aus lang anhaltenden Folgen aufgeregt und eilig wirkender Laute zusammengesetzt. Zwischendurch werden immer wieder trillernde oder pfeifende Töne in verschiedener Ab- oder Tonfolge aus dem Repertoire anderer Vögel, z.B. Gesänge von Blesshuhn, Bachstelze, Meisen, Amsel, Hausrotschwanz oder Schwalben eingebaut. Der Schilfrohrsänger wiederholt – wie auch andere Rohrsänger – jeden Ton zwei- bis dreimal.