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Blessralle

Blessralle (Fulica atra)
Andere bekannte Namen: Blesshuhn, Wasserhuhn, Rohrhuhn, Belche, Blesse, Bölle, Hurbel, Lietze, Zappe
Rote Liste Deutschland 2007: Die Art ist derzeit nicht gefährdet.

Die Blessralle ist ein weit verbreiteter und teilweise sehr häufig vorkommender Brutvogel in Deutschland. Schwierig ist, die Anzahl der Brutpaare zu ermitteln, da sich auf den Brutgewässern auch eine wechselnden Zahl von nichtbrütenden Blessrallen befindet. In Mitteleuropa leben zwischen 410.000 und 750.000 Brutpaare, der europäische Gesamtbestand liegt zwischen 1,3 und 2,3 Mio Brutpaaren (Bauer et al. 2005). Der Gesamtbestand in Deutschland liegt bei 66.000 bis 115.000 Brutpaaren (Sudholdt et al. 2013).

Verbreitung

Die Blessralle kommt mit 4 Unterarten in Europa, Asien, Nordafrika, Indien, Australien und Neuguinea vor. Im Zuge des milder werdenden Klimas hat sich die Blessralle stark in den nördlichen Teilen Europas ausgebreitet.

Gewässer

Sie brütet bevorzugt an nährstoffreichen Gewässern, von den Tieflagen bis in 1.400 m Höhe. Durch ihr Vorkommen zeigt sie eher nährstoffreiche Gewässer an. Hier haben vegetationsreiche Zonen mit geringer Tiefe eine wichtige Bedeutung für die Nahrungssuche. Offene Wasserflächen sind für das Schwimmen, Gründeln und Tauchen notwendig. Eine gut ausgebildete Röhrichtzone oder ein anderer, das Nest schützender Uferbewuchs müssen vorhanden sein. Sowohl stehende als auch langsam fließende Gewässer mit Flachufern und ein unterschiedlich ausgebildeter Uferbewuchs werden besiedelt. Da Blesshühner gerne Schilf fressen, kann bei hoher Populationsdichte der Schilfgürtel stark in Mitleidenschaft gezogen werden. An sehr nährstoffarmen Gewässern siedelt sie sich nicht an.

Im Winter befinden sich Massenansammlungen von Blessrallen an eisfreien Gewässern. Sie ernähren sich am Ufer oder an Land von Gräsern, Kräutern und Samen. An sehr nährstoffarmen Gewässern oder an Meeresküsten trifft man Blessrallen nur selten an. Die Gewässergröße sowie die Art der Vegetation spielen bei der Ansiedlung nur eine untergeordnete Rolle. Blessrallen kommen selbst in von Bebauung umschlossenen Kleingewässern mit deckungslosen, belebten Ufern vor. Neu entstandene, künstliche Gewässer wie Stauseen oder Teiche werden spontan besiedelt. Blessrallen sind an Stadtteichen mittlerweile stark vertreten.
 
Die Blessralle ist die am meisten an Wasser gebundene heimische Rallenart. Sie schwimmt selbst in der Mitte größerer Gewässer. Daher hat sie als einzige heimische Ralle hell-olivgelbe Schwimmlappen an den Zehen ausgebildet, die denen der Lappentaucher ähneln.

Eine hohe Blessrallendichte auf einem Gewässer lässt andere Wasservogelarten selten werden, wie z.B. einige Entenarten. Als Eierräuber sind die Blessrallen bei vielen anderen Röhrichtbewohnern unbeliebt.

Wassersport

Blessrallen reagieren auf Störungen durch Angler, Bootsfahrer oder Badegäste am Gewässer erstaunlich tolerant, solange sie nicht den Brutplatz in der Fortpflanzungszeit betreffen. Weitere Gefährdungen sind Zerstörungen der Brutplätze durch Schilfbrände, (Zer-)Störung der Ufer oder durch Wellengang (Bootsbetrieb, Surfen, Wasserski). Intensive oder häufige Störungen am Brutplatz führen nicht selten zur Brutaufgabe oder zu Gelegeverlusten durch Rabenvögel, Möwen, Fuchs und durch andere Gelegefeinde. Die Sterblichkeit der Jungtiere ist mit 80 % sehr hoch.

Jagd, Fischerei

Mancherorts spielt die Bejagung als bestandsvermindernder Faktor eine Rolle. Immer wieder verfangen sich einzelne Blessrallen in Stellnetzen der Fischer oder an in der Vegetation zurückgebliebenen Angelhaken.

Nahrung

Bei der Verbesserung der Gewässergüte werden Blessrallen durch den damit einhergehenden Rückgang ihrer Nahrungsgrundlage lokal zurückgedrängt. Diese Entwicklung ist aber im Hinblick auf die Erhaltung der Ökosysteme eher positiv zu werten. Dadurch wird die Blessralle keineswegs in ihrem Bestand gefährdet.

Durch ihre hohe Anpassungsfähigkeit, ihre flexible Nahrungswahl und robuste Art ist die Blessralle einer der häufigsten Wasservögel heimischer Gewässer. Obwohl es eine offizielle Jagdzeit vom 11. September bis zum 20. Februar in Deutschland gibt, wird sie praktisch nicht bejagt, da das Fleisch der Tiere tranig schmeckt.

Ungestörte Uferbereiche mit entsprechender Röhrichtvegetation müssen in ihrer Entwicklung gefördert und erhalten werden. Dafür ist die Einschränkung der Freizeitnutzung zumindest in Teilbereichen einiger Seen eine wichtige Grundlage für den Schutz der Blessralle.

Systematik

Ordnung: Gruiformes (Rallen und Kranichvögel)
Familie: Rallidae (Rallen)
Unterfamilie: Fulicinae (Blessrallen)

Aussehen

Die Blessralle ist durch ihre einheitlich schwarze Gefiederfärbung mit deutlich abgesetzter weißer Stirn und weißem Schnabel („Blesse“) unverkennbar. Sie ist entengroß, hat einen runden, breiten Körper mit kurzem Schwanz und kleinem Kopf und liegt wie die Schwimmenten hoch im Wasser. Im Flug fallen der schmale weiße Armflügel-Hinterrand und die den Schwanz nach hinten weit überragenden und manchmal leicht herabhängenden Beine auf. Männchen und Weibchen sind gleich gefärbt und können 1,1 – 1,2 kg wiegen. Die Küken sind schwarz und besitzen rote Dunen am Kopf.

Fortpflanzung

Obwohl die Geschlechtsreife der Blessralle bereits Ende des ersten Lebensjahrs erreicht ist, brüten nicht alle Vögel zum gleichen Zeitpunkt. Ist die Dichte der Tiere hoch und mangelt es an Brutstandorten, brüten manche Tiere erst nach 2 – 3 Jahren das erste Mal. Diese Nichtbrüter stellen eine Populationsreserve dar. Sie können frei werdende Territorien oder ausgefallene Brutpartner sofort ersetzen.

Blessrallen sind partnertreu. Die Paare bleiben meistens über eine Brutsaison hinaus und auch im Winter zusammen. Je nachdem, wie die Witterung im März ist, sind die Tiere frühzeitig oder erst später an ihren Brutplätzen anzutreffen. Um die Bindung der Paare zu festigen, kraulen sich die Partner gegenseitig das Kopf- und Halsgefieder. Sie verpaaren sich entweder bereits im Winterquartier oder anschließend im Brutrevier. Die Paarung findet nur selten im Wasser, sondern meist an Land oder auf der Nestplattform statt. Zunächst laufen Männchen und Weibchen hintereinander her, wobei das Männchen Rufe ausstößt. Bis zur Ablage des letzten Eies finden mehrmals täglich Begattungen statt.

Männchen ergreifen sofort Besitz von Revieren, deren Größe erst zu Legebeginn feststeht. Für die Anlage des Nests ist eine ausreichende Deckung erforderlich. Das Männchen stellt mehrere verschiedenartige Nestunterlagen her, doch nur eine davon baut es zu einem vollständigen Nest aus. Das Baumaterial ist je nach örtlichem Angebot wie Schilf, Teichrosensprosse, Rohrhalme und Blätter sehr variabel. Der Durchmesser des Nests kann bis zu einem halben Meter betragen. Nester, die einen hohen Anteil verrottender Materialien enthalten, werden bis zu 30 cm hoch aufgebaut. Je nach Größe und Zusammensetzung kann der Nestbau bis zu 20 Tage in Anspruch nehmen. Während des Nestbaus werden beispielsweise Äste verankert, Abdeckungen zur Seite hin eingerichtet, emporgewachsene Halme im Nestbereich zu einer Haube zusammengeflochten oder wasserseitig Rampen als Nestzugang gebaut. Das Nistmaterial wird aus der Umgebung herangeschafft. Während das Männchen die Plattform baut, ist das Weibchen für die Ausgestaltung der eigentlichen Nestmulde zuständig. Das Nest steht oft frei sichtbar im Wasser, befindet sich aber bevorzugt im wasserseitigen Bereich des Röhrichts. Nester können aber auch am festen Ufer oder frei schwimmend im tieferen Wasser oder an Ästen verankert, gefunden werden.

Legebeginn ist bereits Anfang März. In 20 – 25 Tagen brüten beide Elterntiere 5 – 10 Eier aus. Dabei wechseln sie sich regelmäßig, auch nachts, ab. Das jeweils brütende Tier wird nur selten vom Partner mit Futter versorgt und muss folglich selber auf Nahrungssuche gehen. In der Regel brüten Blessrallen nur einmal im Jahr. Geht das Erstgelege verloren, werden Nachgelege, oft in Verbindung mit Brutort- bzw. Revierwechsel, organisiert.

Die Jungen bleiben nach dem Schlüpfen noch 3 – 4 Tage im Nest. Der Vater führt die zuerst geschlüpften Küken auf das Wasser. Sind alle Jungtiere geschlüpft, teilt sich die Gruppe auf, wobei jeweils ein Teil dem Muttertier und der andere dem Vatertier folgt. Nach 5 – 6 Tagen haben die Jungen das selbständige Tauchen gelernt. Nach 30 Tagen suchen sie unabhängig nach Nahrung, betteln die Eltern aber noch regelmäßig um Futter an. Im Alter von 8 Wochen kommen die Jungen ohne die Eltern aus. Sie bleiben bis August, bei günstigen Bedingungen oft auch bis der Winter kommt, im Brutrevier. Brütet das Paar ein zweites Mal, ist das Männchen dafür verantwortlich, die Jungen der Erstbrut zu führen.

Nahrung

Die Blessralle ist ein Allesfresser, bevorzugt aber deutlich pflanzliche Nahrung (Grünalgen, Wasserpest, Schilf, Hahnenfuß u.a.). Während des Sommers ist der Anteil an tierischer Nahrung höher, da auch leichter erreichbar. Diese besteht aus Schnecken, Muscheln, Insekten und deren Larven (z.B. von Libellen, Wasserkäfern, Fliegen, Köcherfliegen), Froschleich sowie Kaulquappen und Fischbrut. Die Blessralle plündert auch Nester von Enten und anderen Arten (Tauchern) aus. Um die oft faserige Pflanzen- und harte Tiernahrung besser verdauen zu können, nehmen die Tiere Magensteinchen auf, welche helfen, die Nahrung im Magen zu zerkleinern.

Natürliche Feinde

Blessrallen werden von Rohrweihen, See-, Schell- oder Fischadlern angegriffen. Die Tiere wehren sich bei Angriffen, indem sie sich dicht auf der Wasserfläche zusammenschließen. Der Angreifer sieht sich dann einer großen schwarzen Fläche gegenüber und unterlässt den Angriff. Jungtieren kann der Hecht gefährlich werden. Gelegeräuber sind Igel, Wanderratte, Rabenvögel, Iltis, Mink, Marderhund, Waschbär, Dachs, Fuchs und Wildschwein.

Starke Wasserstandsschwankungen können Gelege vernichten. Krankheiten können zu einem Massensterben führen. Hierbei spielen der Botulismus und ein starker Wurmbefall eine große Rolle. Sehr kalte Winter mit geschlossener Schneedecke und vereisten Gewässern können bei vielen Tieren zum Hungertod führen.

Verhalten

Die Blessralle ist ein leicht zu beobachtender und – insbesondere im Brutgebiet – meist tagaktiver Vogel. Dagegen zieht sie vor allem nachts. Jungvögel ziehen bereits ab Ende August aus den Brutgebieten weg und durchmischen so die Population im Verbreitungsgebiet. Die Größe der Reviere ist abhängig von der Größe und Beschaffenheit der Brutgewässer. Sind die Ufer im Verhältnis zur offenen Wasserfläche relativ lang, erreichen die Blessrallenpopulationen größere Dichten als an größeren Gewässern mit kleiner Uferzone. Am Ende der Brutzeit legen Blessrallen Ruhenester an.

Die Blessralle lebt das ganze Jahr über an Gewässern. Im Winter bilden sich durch Zuzug aus dem Nordosten größere Trupps, oft zusammen mit Schwimm- und Tauchenten. In diesen Wintergesellschaften sind die Tiere aufgrund der hohen Dichte anwesender Vögel mitunter sehr streitsüchtig. Lange harren die Tiere in ihren nördlicheren Brutgebieten aus, um erst bei einsetzender Kälte weite Flüge bis über 400 km am Tag auf sich zu nehmen und dem Winter zu entfliehen. Wenn es kalt wird und das natürliche Nahrungsangebot knapp wird, besuchen die Tiere auch Entenfutterstellen am Ufer.

Blessrallen verteidigen ihr Revier sehr wirkungsvoll gegen Eindringlinge. Sie zeigen ihre Blesse auf der Stirn und schwimmen ihnen entgegen. Wendet sich der Eindringling nicht ab, drohen sie ihm ab einem Abstand von etwa 30 m intensiv mit gesenktem Kopf, gesträubtem Hals, hoch über den Rücken gewölbten Flügeln und senkrecht gestelztem Schwanz. Ein weiterer Ausdruck gesteigerter Aggressivität ist, wenn sie ihren Gegner mit mit einem sogenannten „fliegenden Laufen“ über die Wasserfläche verfolgen. Kommt es zum Kampf, versuchen sie in aufgerichteter Haltung mit den Flügeln zu schlagen, mit den Füßen zu treten und mit dem Schnabel zu hacken. Der Unterlegene ergreift die Flucht durch Wegtauchen oder Wegschwimmen.

Die Blessralle schwimmt mit einem auffälligen Kopfnicken. Der nur kurz andauernde Tauchgang folgt aus einem Sprung nach vorne. Um vom Wasser aufzufliegen, nimmt sie mit platschenden Füßen bis ca. 20 m Anlauf. An Land ist sie ein schneller Läufer.

Die Tiere werden selten älter als 3 oder 4 Jahre. Das höchste, bisher im Freiland festgestellte Alter betrug allerdings 19 Jahre.